007 Zonen der Veränderung

Unser Gehirn ist ein Faulpelz

Erstaunt dich das? Wenn wir unser Gehirn so gewähren ließen, wie es gerne möchte, vermieden wir jede Art von Veränderung, denn Veränderung bedeutet Weiterentwicklung, und hierfür muss sich unser Gehirn richtig anstrengen. Wenn es nach ihm ginge, würde es immer schön effizient arbeiten und auf alle Reize schnell und mit bewährten Reaktionen antworten. Die bevorzugten Pfade in unserem Kopf sind breit ausgetreten und so bequem: Passiert A, mache ich B. In diesem Modus der bekannten Abläufe befinden wir (und unser Gehirn) uns in der Komfort- oder auch Wohlfühlzone. Alles ist so harmonisch, keine unliebsamen Überraschungen, der Puls schlägt gleichmäßig, die Atmung macht keine Probleme und der Stresslevel baumelt ganz unten auf der Skala. Und für dieses Wohlfühl-Dorado belohnt unser Gehirn uns auch noch mit der Ausschüttung von körpereigenen Opiaten.

faule Löwin

Komfortzone versus Stretchzone

Aber ist so das Leben? Du kennst sicher diese behagliche Komfortzone, in der wir uns so gerne einrichten. Aber was passiert dann? Das Leben beschert uns Veränderungen, oder wir suchen sie gar ganz aktiv von uns aus. Die Gründe für diese Veränderungen können vielfältig sein: ein Wohnortwechsel, Jobwechsel, das Ende einer Beziehung, der Auszug  unserer Kinder, der unwiderrufliche Verlust eines geliebten Menschen und viele weitere Gründe. Je nach „Schwere“ der Veränderung, und auch abhängig davon, ob selbstgewählt oder aufgezwungen, können uns diese Ereignisse gleich in die nächste Zone bringen, in die Stretchzone, oder sie katapultieren uns noch darüber hinaus direkt in die Panikzone. Das Gehirn wird nun zur Höchstleistung aufgefordert und antwortet u. a. mit Stressreaktionen.

Der Körper signalisiert Stress

Aber eins nach dem anderen. Denke einmal an einen Moment, in dem du mit einer neuen Situation/Aufgabe konfrontiert wurdest. Evtl. ist dein Chef mit einer neuen Aufgabe auf dich zugekommen, du solltest eine Präsentation vor einem wichtigen Kunden halten und – anders als sonst – im Anschluss auch die Preisverhandlung verantwortlich führen. Welche Körperreaktionen hast du wahrgenommen? Ist dir vielleicht das Blut in den Kopf geschossen, hat sich dein Herzschlag erhöht und sind deine Hände evtl. schwitzig geworden? Es gibt eine ganze Reihe an Reaktionen, die unser Körper wählen kann, um uns zu signalisieren, dass er sich gerade im Stressmodus befindet.

Was setzt dann ein? Du schätzt vermutlich ab, ob du dieser Aufgabe gewachsen bist und über die erforderlichen Informationen, aber auch Fähigkeiten, verfügst. Wenn dieser Check positiv verläuft, dir dein Selbstbewusstsein signalisiert „schaffen wir schon“, bleibt vermutlich eine Grundspannung bestehen, aber mit der kannst du gut umgehen. Im dem Fall passiert in der Stretchzone genau das, was dort hingehört: Du entwickelst dich in einer für dich bisher unbekannten Situation weiter, lernst und gehst im besten Fall bestätigt aus ihr hervor und zurück in die Komfortzone. Denn schon die nächste Preisverhandlung muss nicht mehr zwangsläufig in der Stretchzone stattfinden, sondern je nachdem wie intensiv die positive Erfahrung und Bestätigung war, gehst du bereits weitaus gelassener in die nächste Preisdiskussion. Diese Erfahrung wirkt sich aber nicht nur auf die Situation „Preisverhandlung“ aus, sondern stärkt deine Selbstwirksamkeit generell. Positive Erfahrungen in der Stretchzone stärken dein Selbstbewusstsein und somit deine Überzeugung auch Unbekanntes meistern zu können.Selbstbewusste Frau mit blauen Haaren

Panikzone

Hier wird es brenzlig. Kurzzeitig in die Panikzone hinein zu schnuppern ist noch nicht schädlich, ein dauerhaftes Verharren in dieser Zone tut uns jedoch nicht gut, denn hier wird die Herausforderung zur Überforderung. Denk mal daran, was du mit dem Wort „Panik“ verbindest. Laut Duden ist Panik eine „durch eine plötzliche Bedrohung, Gefahr hervorgerufene übermächtige Angst, die das Denken lähmt und zu kopflosen Reaktionen führt“. So fühlt es sich an, wenn wir in die Panikzone geraten: Unser Gehirn überhitzt und kontrolliertes, zielorientiertes Handeln ist kaum mehr möglich. Was bringt uns dorthin?

Oft sind es Ereignisse, die sich unserer Kontrolle entziehen, die uns von außen aufgezwungen werden und die von großer (zumindest interpretieren wir das so) Bedeutung für uns sind und für deren Bewältigung wir glauben, keinerlei Ressourcen zu haben. Aber auch von uns aktiv gewählte Veränderungen können uns an den Rand oder auch in die Panikzone hineinbringen.

Komfortzone, Stretchzone und Panikzone


Zonen der Veränderung

 

Bedeutung wird gegeben

Zwei Beispiele:
Das, was den einen „nur“ in die Stretchzone bringt, kann für einen anderen bereits die Panikzone bedeuten. Nehmen wir nochmal den Chef und die Preisverhandlung. Im Beispiel von eben hat der Chef vermutlich wohlüberlegt die Aufgabe delegiert. Setzten wir voraus, er kennt seine Mitarbeiterin und hält sie für fähig, diesen nächsten Entwicklungsschritt zu gehen. Die selbstbewusste Mitarbeiterin weiß ebenfalls, was sie sich zutrauen kann, und alles läuft gut.

Anderes Szenario: Der Mitarbeiter, der eigentlich die Verhandlung führen sollte, fällt plötzlich aus, der Vorgesetzte glaubt, die Besprechung mit dem Kunden nicht verschieben zu können, kann selbst nicht einspringen und brummt die Verhandlung einer jungen Mitarbeiterin auf, die das Knowhow dazu eigentlich noch gar nicht haben kann. Sie überspringt verständlicherweise die konstruktive Stretchzone und gerät gleich in die destruktive Panikzone. Vielleicht hat sie ohnehin nicht das größte Selbstvertrauen, und das Drama nimmt seinen Lauf. Denn in der Panikzone einen vernünftigen Gedanken fassen zu können, ist nahezu unmöglich, sodass sie selbst den Part, den sie eigentlich noch hätte gut machen können, leider nicht umsetzen kann ...

Was können wir tun, wenn wir in die Panikzone geraten?

Egal wodurch wir in diese unbequeme und häufig auch beängstigende Zone geraten sind: Es hilft nicht, wenn wir hadern, warum und wieso wir hier gelandet sind. Also akzeptieren, dass es so ist, wie es gerade ist, durchatmen und in kleinen Schritten den Rückwärtsgang aus dieser Zone einlegen.

Dieses „Durchatmen“ kannst du bewusst zelebrieren und hiermit erst einmal etwas Ruhe in deinen stressgeschüttelten Körper bringen:

Achte auf einen aufrechten Sitz und darauf, durch die Nase ein und den Mund wieder auszuatmen. Finde deinen Rhythmus, indem du beginnst zu zählen: 5 Sekunden durch die Nase einatmen und in der doppelten Länge durch den Mund ausatmen und entspannen. Stelle dir beim Einatmen einen angenehmen Geruch vor. Denke zum Beispiel an den Duft des Frühlings, der deinen ganzen Körper erfüllt, an die Blumen, das Gefühl von Sonne und Wärme ... Beim Ausatmen lasse deine Ängste und Beklemmungen los. Lege gerne die Hand auf deinen Bauch, um deine Atmung zu spüren. Wiederhole diese Atmung mehrmals, bis du spürst, dass die Beruhigung einsetzt.

Sonne und Wärme

Hilfreich ist auch, an Situationen zu denken, die du in der Vergangenheit schon gut gemeistert hast. Hierzu hat Thomas dich bereits in Blog 006 eingeladen. Nähre deinen Optimismus und deine Zuversicht mit diesen Erfahrungen und vertraue darauf, dass du gut aus dieser schwierigen Situation herausfinden wirst.

Denke auch einmal realistisch daran, was denn tatsächlich das Schlimmste ist, das dir passieren kann. Manchmal hilft auch das, denn die reellen Konsequenzen sind häufig viel milder, als es uns unser Katastrophendenken im ersten Moment suggeriert.

Wenn es eine von dir aktiv gewählte Veränderung ist, die dich kurzzeitig  in die Panikzone befördert, denke an das Ziel, das du dir gesetzt hast, und wie gut du dich fühlen wirst, wenn du es erreicht hast.

Selbstliebe
Elementar für unser Krisenverhalten ist unser Umgang mit uns selbst. Je besser unsere Verbindung zu uns selbst ist, desto eher erkennen wir, wenn wir uns in Situationen befinden, die uns nicht guttun. Manch einer läuft über einen langen Zeitraum in der Panikzone, ohne sich dessen bewusst zu sein. Erst wenn der Körper oder die Psyche Signale geben, die nicht mehr zu leugnen sind, beginnt er nach Ursachen zu forschen. Denke einmal an die Burnout-Erkrankung – klassisches Beispiel für ein zu langes Verharren in der Panikzone.

Selbstfürsorge und Selbstliebe sind wichtige Säulen unserer Krisenbewältigungskompetenz. Hierzu wird Roswitha euch im nächsten Blog 008 weitere Anregungen geben. Heute nur so viel zu dem Thema: Wenn du in der Panikzone bist, erhöhe nicht den Druck, indem du dich selbst beschimpfst. Sei freundlich zu dir, nimm an, dass du gerade überfordert bist und strafe dich nicht mit Ungeduld. Nimmst du schwierige Situationen aufmerksam wahr und bist liebe- und verständnisvoll mit dir, kann es dir gelingen, deine Angst, Panik oder Wut in Mitgefühl und Selbstvertrauen zu wandeln. Diese Veränderung wiederum macht es möglich, deine emotionalen Ressourcen (für dich oder auch andere) zu nutzen und mit der Situation besser zurechtzukommen.

Und wenn ich alleine nicht aus der Panikzone herausfinde?

Wenn du spürst, dass dein „Zähne zusammenbeißen“ chronisch wird, du dich ständig überwinden musst, bestimmte Dinge zu tun oder deine Durststrecke einfach nicht enden will, hole dir Unterstützung: von guten Freunden, Kollegen, Nachbarn oder von Menschen, die hierfür ausgebildet sind. Ängste lassen sich gemeinsam viel besser bewältigen, und Lösungsansätze finden sich mit Impulsen von außen häufig viel schneller, als ganz alleine im Hamsterrad. Achte nur darauf, dass es dein Weg ist, den du einschlägst und nicht der, der dir als richtig angepriesen wird.

Freundinnen

Was sagt denn mein Gehirn zu alldem?

Zu Beginn habe ich mit einem Augenzwinkern behauptet, dass unser Gehirn ein Faulpelz ist,  und je nachdem, welchen Blickwinkel wir einnehmen, stimmt das ja auch ;-) Das Gehirn spart eben gerne Energie in Zeiten, in denen alles schön nach Routine abläuft – wir also nicht groß nachdenken und erst recht nicht irgendwelche Entscheidungen treffen müssen. Die gute Nachricht ist aber, dass unser Gehirn extrem anpassungsfähig ist und sich unsere Persönlichkeit unser Leben lang – geprägt durch die Erfahrungen, die wir machen – weiterentwickelt. Wie groß die Entwicklung ist, können wir beeinflussen, indem wir entscheiden, die Komfortzone auch einmal zu verlassen und Herausforderungen als Entwicklungschance zu sehen.

Das Leben ist Veränderung, wie Thomas so schön geschrieben hat – wie gut, dass unser Gehirn fähig ist, uns durch alle Zonen der Veränderung zu begleiten. Den Schlüssel, welche Haltung wir in den Phasen einnehmen wollen, haben wir selbst in der Hand.

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“                                                                                                         chinesisches Sprichwort

Ich wünsche euch viel Freude beim Bau eurer Windmühlen, bis bald

eure Astrid.

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Bildnachweis pixabay: mrthiof0, holger stephan, daniel sampaio, tomasz marciniak, annemone123

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